384.000 Kita-Plätze fehlen aktuell in Deutschland laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Es fehlt nicht nur an Plätzen sondern auch an Personal. Mag sein. Aber was weiß die Bertelsmann-Stiftung schon über Frankfurt oder über Harheim? Hier, in Hessens Apfelweinhauptstadt gibt es doch seit 2016 das „Kindernet“. Da können Eltern easy und online ihren Nachwuchs für einen Betreuungsplatz vormerken lassen. Schön, wenn das so einfach geht. Leider ist das aber nur theoretisch der Fall. Und so passiert immer wieder das, was seit ungefähr 25 Jahren regelmäßig und pünktlich wie Weihnachten in den Bürgerfragestunden der Ortsbeiräte abläuft: Dutzende ratlose, enttäuschte, genervte und teilweise wütende Eltern wollen im Frühjahr von den Stadtteilpolitikern wissen, weshalb ihnen noch kein Betreuungsplatz zugesagt worden ist. Denn in vielen Fällen sind Eltern gleichzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und müssen ihre Jobrahmenbedingungen mit der Familiensituation synchronisieren. Und zwar verlässlich.
Aber auch die Ortspolitiker sind ratlos. Knapp 48 Jahre nach Erfindung des Heimcomputers und 100 Jahre nach der Gründung des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt irrt eine Frage immer noch durchs Frankfurter Orbit und sucht ihre Antwort: Weshalb können Frankfurts Bildungsexperten immer noch nicht zuverlässig den Bedarf in den Stadtteilen ermitteln und entsprechend rechtzeitig planen? Zuletzt hatte die amtierende Frankfurter Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) im Nachbarstadtteil Nieder-Erlenbach erklärt, dass „man“ ja nicht wisse, wer in das Neubaugebiet „Südlich am Riedsteg“ hin ziehe. Die Bildungsdezernentin wisse nur, dass dort 450 Wohneinheiten entstehen. Schade, dass sie Wirtschaftswissenschaften, Germanistik und Kunstgeschichte studiert hat, und nicht Sozialforschung. Immerhin erkennt sie einen Handlungsbedarf und kündigt einen zusätzlichen Zug für die Schule und eine fünfgruppige Holzmodul-Kita am Neubaugebiet an. Interessierte Nieder-Erlenbacher blättern daraufhin in der Projektbeschreibung des Bebauungsplanverfahrens Nr. 908 und erfahren, dass eine Sporthalle in Kombination mit einer Kita in einem Gebäude geplant ist. Das ist aber doch wohl nicht die Holzmodul-Kita?
Natürlich hat die Bildungsdezernentin keinen einfachen Job und der Fachkräftemangel spielt ihr auch nicht gerade in die Karten. In Frankfurt fehlen nach ihren Worten 500 Erzieher*innen und „man“ tue alles, um Fachkräfte auszubilden und anzuwerben. (Möglicherweise können sich die 500 Fachkräfte in Frankfurt auch gar keine Wohnung leisten – so genau wissen wir das nun auch nicht). Aber hinsichtlich der fehlenden Erzieherinnen grätscht nun der Dezernentin Weber eine Gruppe Tagesmütter in die Parade, die zufällig auch gekommen sind, um die Dezernentin mal anzusprechen. Vor wenigen Jahren habe es noch 500 Tagesmütter oder Tagesväter – also Tagesfamilien – gegeben. Jetzt sind es nur noch 285. Denn das Projekt „Tagesfamilie“ rentiert sich nicht mehr. Vier bis fünf Kinder betreuen die qualifizierten Frankfurter Tagesmütter und -Väter in eigenen Wohnungen. Nur leider funktioniert das schon länger nicht mehr wirtschaftlich. Die finanzielle Förderung und die Sachkostenpauschale ist aufgrund der Inflation und gestiegenen Mieten schon lange nicht mehr ausreichend. Dringender Handlungsbedarf also auch hier, um die übrig gebliebenen 285 Tagesmütter- und Väter in schwierigen Zeiten bei der Stange zu halten. Allerdings bleibt es auch in dieser Frage am Ende des Tages bei dem konkreten Versprechen der Dezernentin, sich weiter stark einzusetzen. Das grosse Aufatmen bei den Eltern und den Tagesmüttern – wird noch ein bisschen warten müssen.
Die Tagesmütter- und Väter wollen aber nicht mehr weiter warten. Neben einer Petition werden sie bei einer Kundgebung auf dem Paulsplatz auf die Situation aufmerksam machen. Immerhin: 250 Tagesfamilien à vier Kinder ergibt Betreuungsplätze für 1000 Kinder. Das ist doch schon mal ein konstruktiver Beitrag. Und mehr als nur ein Versprechen.
Fakten:
Kundgebung der IG TaMaPaKi (TagesfamilieMamaPapaKind)
23.03.2023 von 16-18 Uhr auf dem Paulsplatz
Petition und Informationen
„Die Existenzen der Tagesfamilien in Frankfurt sichern – für einen Fortbestand der Kindertagespflege“