„It´s time to change“. Mit großem Pomp und noch viel größeren Erwartungen wurde Anfang 2020 vom damaligen Wirtschaftsdezernenten Markus Frank (CDU) das „Elektromobilitätskonzept für die Stadt Frankfurt am Main“ ans Licht der Mainmetropole gezerrt. Vermutlich hatte das 117 Seiten dicke Werk kaum einer der Stadtverordneten komplett durchgelesen und verstanden. Noch Monate später waren erhebliche redaktionelle Fehler enthalten, über die jedoch offenbar kaum jemand beim Durcharbeiten gestolpert war. Das Konzept enthielt eine detaillierte Analyse, was alles getan werde müsse, damit Frankfurts E-Autos der Zukunft auch entsprechende Lademöglichkeiten zum Aufladen finden. Die Aufgabenverteilung war klar umrissen. Da der Aufbau von Ladeinfrastruktur ein wirtschaftlich kaum rentables Geschäft ist, hatte die Stadt Frankfurt diese Sache den Investoren aus der freien Wirtschaft überlassen, das sogenannte Open-Market-Modell. Das bedeutet, die interessierten Betreiber suchen sich besonders lukrative Standorte aus und lassen sich die dann genehmigen. Die Kommune selbst wollte ihren Teil mit den erforderlichen Genehmigungsdienstwegen, Marketing- und Mobilisierungskonzepten beitragen und hatte sich daher auf die eher mentale Förderung der Sache zurückgezogen.
Zu diesem Zeitpunkt lag die Ladeinfrastruktur in der heimlichen Hauptstadt Hessens mit 122 öffentlichen Ladepunkten im Vergleich mit anderen deutschen Städten deutlich zurück. Kurzfristig sollten in Frankfurt mindestens 800 Ladesäulen entstehen. Nur: wie sollte das geschehen? Wider Erwarten standen keine Investoren Schlange um auf eigenes Risiko Frankfurt aus der Patsche zu helfen. Der Anbieter Allego wollte zunächst 360 Ladesäulen im Stadtraum aufstellen, hatte aber dann wenige Monate später entnervt von Frankfurts Verwaltungsdickicht das Handtuch geworfen. Lediglich die Mainova arbeitete sich in homöopathischen Dosen langsam nach vorn und pflanzte gelegentlich Ladestationen in der Innenstadt in den Boden. Damit konnten wenigstens einige wenige E-Automobilist*innen die Fahrt zur Oper oder ins Kino mit dem Aufladen ihres Fahrzeugs verbinden.
Die Begeisterung der der nicht in Römernähe angesiedelten Kommunalpolitiker hielt sich in überschaubaren Grenzen. Angesichts des Tempos, mit dem sich E-Ladestationen von der Innenstadt aus Richtung Stadtgrenze vorarbeiteten, war nicht damit zu rechnen, dass in Harheim, Berkersheim oder Nieder-Erlenbach bis zur Mitte des Jahrhunderts irgend ein Investor in der Absicht, nachhaltig Gewinn zu erzielen, hier eine teure öffentliche Ladestation aufstellen würde. Alle Anträge der Ortsbeiräte nach einer Ladestation wurden regelmäßig mit dem Hinweis auf das Open-Market-Modell im E-Konzept in die ewige Warteschleife geschickt.
Vor wenigen Monaten ist dann doch etwas drive in die Frankfurter E-Ladewelt gekommen, nachdem die Betreiber Qwello und EZE Network in Bockenheim, Sachsenhausen und dem Nordend vermehrt Ernst gemacht haben. Jetzt – angesichts so viel Energie – muss aber die Stadt Frankfurt überraschend mit der weißen Fahne winkend resignieren. Da fällt plötzlich auf: Jeder einzelne beantragte Standort muss von diversen Stellen geprüft und abgesegnet werden. Das Straßenverkehrsamt, die Mainova, die Netzdienste Rhein-Main und auch der Denkmalschutz müssen jeden einzelnen Standort erst mal gründlich prüfen. Und das dauert! Mittlerweile sind rund 1200 Anträge in der Frankfurter Pipeline. Offenbar hatte sich die Stadt schon alleine mit dem Genehmigungsverfahren übernommen.
Jetzt aber ist endlich offenbar Schluß mit Open-Market und den Träumen des Elektromobilitätskonzepts aus dem Jahre 2020. Die Stadt will ab sofort selbst Standorte ausweisen, die in Paketen zusammenpackt, von den betroffenen Ämtern koordiniert geprüft und dann an Betreiberfirmen vergeben werden. Dabei sollen attraktive Standorte mit weniger begehrten Standorten zusammengefasst werden. Eine kluge Entscheidung. Denn so wird es E-Ladesäulen nicht nur in Top-Lagen geben, sondern auch in Nieder-Erlenbach, Zeilsheim oder eben auch Harheim.
Nur ein bisschen Geduld braucht es eben noch, bis flächendeckende E-Lademobilität überall in Frankfurt entsteht. Im Augenblick sind noch 135 Standorte im Genehmigungsverfahren. Mit dem neuen gebündelten Modus wird´s also erst im nächsten Jahr beginnen.
Ihre Lieferfristen für das neue E-Auto sind noch ziemlich lang? Macht nichts. Die öffentliche Ladestation kommt ja auch nicht früher.
Fakten
weils so schön nostalgisch ist:
Elektromobilitätskonzept und Umsetzungsstrategie für die Stadt Frankfurt