Den Broadway in New York, das Theaterviertel in Midtown Manhattan, kennt jeder. In diesem Viertel gibt es über 40 große Theater und jedes Theaterstück oder Musical, das es dort auf die Bühne schafft, hat sich seinen Weltruhm redlich verdient.
Musicals wie Cats, Hairspray, My Fair Lady, Les Misérables, West Side Story oder Wicked hatten von dort aus die musikalische Welt und die Herzen und Tränen der Menschen erobert. Der Breite Weg in Harheim ist weit weniger bekannt. Kein Wunder. Denn aus dem Breiten Weg, auf dem ursprünglich im Mittelalter wohl Schafe auf die Weide getrieben wurden, wurde viel später der Weg „In den Schafgärten“ und der alte Name verschwand im Laufe der Jahrhunderte so gründlich aus den Erinnerungen der Harheimer, bis nur noch ein Mythos übriggeblieben ist. Und nicht einmal die Musiker des MVH, des Musikverein Harheims, der besten Brass Band Frankfurts, wenn nicht gar Hessens nördlich der Nidda, war diese Reminiszenz bewusst, als sie zur Broadway Night ins Bürgerhaus eingeladen hatten. Zum ersten Mal seit drei Jahren. Zum ersten Mal nach dieser so öden und humor- und harmonielosen Coronazeit mit ihren lockdownbedingten Videokonferenzen und applauslosen Livestreamkonzerten. Zum ersten Mal wieder ein richtiges Konzert mit Herzschlag und Lampenfieber in großer Besetzung mit einem unvermummten Dirigenten und Musikern, bei denen zwischen Mundstück und Mund nur noch ungefiltert der reine Atem transzendiert.
An dieser geschichtsträchtigen Location hatte sich Harheims einzigartiger Musikverein nichts weniger vorgenommen, als den Saal vollzukriegen, die Publikum*innen mit den besten und schönsten Harmonien aus Musicals zu verzaubern und das altehrwürdige Bürgerhaus in ein veritables Broadway-Theater zu verwandeln. Noch vor Beginn mussten eiligst weitere Stuhlreihen herbeigeschafft werden. Den Saal vollkriegen, das war schon mal geschafft. Schon der Opener, das Medley aus Jesus Christ Superstar, das erste Musical von Andrew Lloyd Webber, war erweckungserlebnisnahe. „Over the Rainbow“, den Kult-Klassiker aus „The Wizard of Oz“, veredelte Mezzosopranistin Vanessa Katz, eine sympathische Leihgabe des MVH-Dirigenten Gergö Nagy, zum Dahinschmelzen und das My-Fair-Lady-Medley war das klare Signal an die Seniorenfraktion unter dem Publikum, dass die als „Blasmusik“ bezeichnete Kunstform sich keineswegs auf fetzige Marschmusik beschränkt, sondern zuweilen sehr viele subtile Hörwelten mehr zu bieten hat. Nach der Pause dann ein kleiner Ausflug über Chicago weg von internationalem Broadway zum deutschen Musical. „Hinterm Horizont“ kennt vielleicht nicht jeder. Das Musical mit der Musik von Udo Lindenberg hatten in Deutschland immerhin zwei Millionen zahlende Zuschauer in rund 1800 Aufführungen gesehen. Von Lindenberg zum Wiener Musical „Elisabeth“, wiederum: featuring Vanessa Katz, und zurück zum Broadway mit einem „Hairspray“-Medley und ein tragisches „I dreamed a dream“ aus „Les Misérables“ als Zugabe. Natürlich war das dem Publikum nach drei Jahren MVH-Konzert-Abstinenz nicht genug, aber die Anzahl der Zugaben war auch bei bester Spiellaune der Musikerinnen und Musikern begrenzt, da wegen der Politik der Saal für einen zweiten OB-Wahlgang rechtzeitig bis zur Öffnung des Wahllokals am frühen Sonntagmorgen umgebaut werden musste.

Überraschung total mit der zweiten Zugabe, das schmissige Stück aus einem alten verlorengegangenen Musical kannten fast alle Zuhörer*innen, nur das Musical eben nicht. Aber man lernt immer noch dazu, selbst in der Broadway Night des Musikvereins Harheim. Und als die letzten Zuhörer unter einem sternenklaren Himmel das Bürgerhaus verließen, war der ehemals so kleine Weg „An den Schafgärten“ doch ein bisschen stolzer und breiter geworden. Broadway in Harheim eben.
Wer jetzt bedauert, nicht dabei gewesen zu sein, dem sei gesagt: selbst schuld. Die vielen Musik-Fans hatten nicht nur einen unvergesslichen Abend. Sie hatten zusammen mit dem Musikverein Harheim gleichzeitig noch der Stadt Frankfurt einen erheblichen kulturellen und finanziellen Beitrag beigesteuert. Denn laut der FAZ subventioniert die Stadt Frankfurt einen Besuch der Oper mit rund 201 Euro. Eine Eintrittskarte in die Broadway Night im Bürgerhaus Harheim kostet 12,00 Euro. Bei 500 zahlenden Gästen hat der MV Harheim damit zusammen mit dem Publikum rund € 100.000 an Subventionen dadurch eingespart, dass diese kulturell wertvolle Veranstaltung nicht in der Oper sondern im Bürgerhaus Harheim stattgefunden hat. Der Ortsbeirat sollte der Stadt Frankfurt vorschlagen, Halbe-halbe zu machen. € 50.000 bekommt der MVH, die anderen € 50.000 kann die Stadt zur Deckung der Finanzlücke nehmen. Da hat doch jeder was davon. 12,00 Euro hat die Eintrittskarte beim MVH gekostet. 201 Euro war sie wert.
Fakten
Alles Wissenswerte über den Musikverein 1913 Harheim e.V. gibt es hier:
www.mv-harheim.de