Achtung! Nicht stolpern!

Stolpersteine tragen schon völlig zu Recht ihren Namen. Häufig tarnen sich aber Stolpersteine geschickt, und wer nicht vorsichtig genug ist, der stolpert eben und es folgt ein bisweilen schmerzhafter, bisweilen peinlicher Sturz.

Vorsicht, Falle ….


Auch die von Gunter Demnig verlegten Stolpersteine haben diese heimtückische Eigenschaft. Wenn Gedenkstolpersteine Menschen wären, dann sollte man sie vielleicht vor Gericht stellen und ihr Unwesen verhindern. Aber es sind bloß einfache Pflastersteine. Mit einer eingelassenen Messingtafel mit dem Namen und den Daten eines Opfers aus der NS-Zeit. Bizzarr, dass diese so harmlos ausschauenden Steine auch auf weite Entfernung und völlig ohne physikalischen Zusammenhänge Menschen zum Stolpern bringen können.

Da lud vor wenigen Tagen in einer Ortsbeiratssitzung eines kleinen Dorfes im Frankfurter Norden eine Ortsbeirätin für den 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus und übrigens in Deutschland seit 1996 ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Feiertag zu einem Moment des Gedenkens an einem dieser Stolpersteine ein.
Dort sollte konkret an einen bei einer Minenräumung ums Leben gekommenen politischen Strafgefangenen der Nazis gedacht werden, dessen Nachfahren immer noch in dem kleinen Dorf wohnen. Eine Stadtteilhistorikerin hatte angekündigt, ein paar Worte zu dessen Leben zu berichten. Sie hatte selbst akribisch Daten zu dessen Leidensgeschichte zusammengetragen und ein Buch darüber geschrieben. Insgesamt keine große Sache also. Hätte sich nicht der Sprecher einer anderen Ortsbeiratsfraktion überraschend ereifert und empört. Wer denn der Veranstalter sei? Und weshalb man nicht erst einmal mit den Verwandten des Opfers reden würde, bevor man vor deren Haus auf öffentlichem Raum zu einer Versammlung zusammenkomme. Die hätten doch schließlich den Stolperstein initiiert und würden ihn regelmäßig reinigen. Von der Bedeutung des 27. Januars – der Fraktionssprecher wusste davon nichts. Auch die Beschwichtigungsversuche seiner Kollegen konnten nicht dazu beitragen, den Stolperkonfliktfall beizulegen. Immerhin befindet sich das Dorf in einem freiheitsliebenden Land, in dem jeder selbst entscheiden kann, ob er an einem Gedenken der Opfer der NS-Zeit teilnehmen möchte oder eben nicht.

Wenige Tage später zog die betagte Stadtteilhistorikerin ihre Zusage zurück, am Ort des Stolpersteins aus ihrem Buch zu lesen. Sie wolle ihre Ruhe haben. Und nicht von anderen Menschen angerumpelstilzt werden.




  



mit nachdenklichen Grüßen


Helmut Seuffert