Kommentar:

Ham se gedient? Rettet und Wehr- und Zivildienst?

Irgendjemand muss die Lawine lostreten. In diesem Falle hat es der Bundespräsident übernommen. „Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen“, wird er in der Bild am Sonntag zitiert.Aufgepasst. Bundespräsi Steinmeier hatte nur die Frage erwähnt, aber bewusst keine eigene Meinung dazu abgegeben.

Steinmeier selbst hatte sich nach seinem Abitur zu zwei Jahren Wehrdienst bei der Luftwaffe in Goslar verpflichtet. Er hatte gedient, sogar neun Monate länger als damals notwendig. Aber würde so ein Dienst heute noch in die Zeit passen? Würde es dem Land wirklich guttun?

Im März 2011 ist die allgemeine Wehrpflicht im Zuge der Streitkräftereform ausgesetzt worden. Der damalige Verteidigungsminister de Maizière war nicht glücklich, denn Deutschland benötige „leistungsfähige und finanzierbare Streitkräfte“. Die Frage steht sofort wie ein Elefant im Raum: Hat es was mit „finanzierbar“ zu tun? Zwei Jahre Corona-Pandemie haben das Problem verschärft, dass Pflegekräfte schwer zu kriegen sind, vielleicht, weil sie sich nach Blick auf den Gehaltszettel nicht wertgeschätzt fühlen. Da könnten natürlich ein paar Tausend junge Menschen nach ihrer Schulausbildung hervorragend als billige Arbeitskräfte dem Land aus der Patsche helfen. Geradezu begeistert werden angehende Medizinstudenten sein. Sie können nun ein paar Monate vor dem Studium schon beginnen, (unbezahlt) sich im Gesundheitswesen nützlich zu machen, dann Studieren, und hinterher im praktischen Jahr weitere 12 Monate so gut wie unbezahlt dem Land dienen.

Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen



Und wie ist das eigentlich mit jungen Menschen, die schon ihn von klein auf in Vereinen, in Kirchen, bei der freiwilligen Feuerwehr, der DLRG, dem roten Kreuz freiwillig mitgeholfen haben? Ehrenamtlich. Völlig ohne Verpflichtung. Die haben sich qualifiziert, Kurse besucht und das nicht nur ein paar Monate, sondern oft jahrelang. Wären nicht diese Menschen die wahren Helden des Dienstes an der Gesellschaft. Oder denkt der Bundespräsident womöglich noch weiter? Die jungen Menschen könnten doch während des Dienstes an der Gesellschaft gleich lernen, wie sie später Angehörige pflegen und versorgen können, wenn Pflegeversicherung aus finanziellen Gründen stirbt? Und macht dann nicht gerade die Pflicht zum Dienst an der Gemeinschaft die noble Idee des humanitären, freiwilligen Engagements völlig kaputt?

Dabei könnte man doch jetzt schon so viel tun, um freiwilliges Ehrenamt attraktiver zu machen. Denken wir nur an die freiwillige Feuerwehr in Harheim. Die warten seit vielen Jahren auf ein neues Feuerwehrgerätehaus, durch dessen Tore auch moderne Feuerwehrautos passen. Auch die würden sich über ein wenig Wertschätzung von oben und ein neues funktionales Gerätehaus freuen.  

Aber leider kommt neben der Wertschätzung noch ein anderes schlagkräftiges Argument um die Ecke, das gegen den „Dienst an der Gesellschaft“ spricht. Bei der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 war klar, dass nur eine professionelle und gut ausgebildete Bundeswehr effektiv sein kann. Im Gesundheits- und Pflegebereich ist das genauso. Krankenpfleger wird man nach drei Jahren Ausbildung. Auch in Krankenhaus und Pflege hat sich seit 1974 eine Menge geändert. Die Anforderungen sind komplexer geworden. Auch da braucht man professionelle und gut ausgebildete Fachkräfte. Ungelernte Hilfskräfte sind da zwar billig und willig. Aber reicht das aus?


mit nachdenklichen Grüßen


Helmut Seuffert