Asylbewerber:innen sollen arbeiten. Für 0,80 Euro pro Stunde?

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland liegt seit dem 1. Januar bei 12,41 € brutto in der Stunde. Billiger geht das natürlich bei Schwarzarbeit. Aber die ist offiziell verboten. Die Stundenlöhne für arbeitende Häftlinge in deutschen Strafanstalten liegen zwischen 1,39 € und 2,32 € pro Stunde. Diese Arbeit zählt aber nicht als Schwarzarbeit, sondern dort nennt man es ein Mittel der Resozialisierung. Daher sind arbeitende Häftlinge auch nicht rentenversichert. Nach §41 Strafvollzugsgesetz sind inhaftierte Menschen dazu verpflichtet, eine zugewiesene Arbeit auszuführen. Schließlich soll die Haft ja kein Erholungsurlaub sein. Verweigert der Häftling die Arbeit, dann wird natürlich das Arbeitsgeld gestrichen und es können Disziplinarmaßnahmen verhängt werden.

Irgendwie muss das einen CDU-Landrat in Thüringen auf die Idee gebracht haben, dass dem Normalbürger schwer vermittelbar ist, wenn Asylbewerber und Asylbewerberinnen die Zeit bis zur Anerkennung oder Abschiebung einfach nur auf der faulen Haut liegen, das süße Nichtstun genießen und das zudem böswillig auf Kosten der Allgemeinheit. Sollen die doch auch arbeiten. Hat diese seltsame Idee damit zu tun, dass in Thüringen im September Landtagswahlen sind? Neiiin. Der CDU-Landrat möchte den Flüchtlingen eine Tagesstruktur geben und sie so perspektivisch auf den Ersten Arbeitsmarkt vorbereiten. Auf diese Weise können Geflüchtete gleichzeitig für die in Deutschland erfahrene herzliche Solidarität der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Welch schöner Gedanke.

Leider gibt es einen Konstruktionsfehler in der Sache, den der CDU-Politiker lieber verschweigt. Trotz dem drängenden Fachkräftemangel dürfen Geflüchtete in Deutschland in den ersten drei Monaten und Geflüchtete aus sicheren Herkunftsländern grundsätzlich nicht arbeiten. Auch für Menschen, die in einer Erstaufnahme-Einrichtung leben, gibt es ein Arbeitsverbot. Aber der christdemokratische Landrat spinnt seine trotzdem Idee unbeirrt weiter.

Die zur Arbeit verpflichteten Geflüchteten werden natürlich eine leistungsgerechte Entlohnung erhalten. Satte 80 Cent pro Stunde sind vorgesehen.



Die zur Arbeit verpflichteten Geflüchteten werden natürlich eine leistungsgerechte Entlohnung erhalten. Satte 80 Cent pro Stunde sind vorgesehen. So viel gönnerhafte Großzügigkeit ist in Deutschland doch selbstverständlich. Und wer nicht freiwillig mitarbeitet, dem drohen Leistungskürzungen. Genauso wie den Häftlingen im Gefängnis. Dass jeder Minijobber Recht auf mehr finanzielle Wertschätzung hat, dass jeder in Haft befindliche Kriminelle mehr kriegt, spielt keine Rolle. Schließlich bekommen die arbeitsverpflichteten Geflüchteten die deutsche Tagesstruktur gratis vermittelt und neben der „einfachen Arbeit“ bleibt für die arbeitsdienstverpflichteten Männer und Frauen ja die Gelegenheit, den Grundwortschatz Deutsch einzuüben. „Schneller“, „da“, „putzen“, „Saubermachen“ und „Jawoll“ müssen ja erst mal verstanden werden. Und den Asylsuchenden muss man bestimmt erst mal die Sache mit der Uhrzeit und der Pünktlichkeit beibringen. Das weiß man doch schon seit über 140 Jahren aus den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Neuguinea.

Schade, dass der Landrat, der im Übrigen so zirka 9500,00 Euro aufwärts im Monat verdient, wohl noch nie mit asylsuchenden Menschen zusammengetroffen ist. Sonst wüsste er, dass viele dieser Geflüchteten eine ganz solide Ausbildung und einen Beruf in dem Land erworben haben, aus dem sie flüchten mussten. Vielen muss man das mit der Tagesstruktur gar nicht erklären, höchstens eine kleine Einführung in den Dschungel deutscher Bürokratie wäre hilfreich. Aber das haben ja selbst Landräte nicht immer verstanden. Und noch etwas würde der thüringische Landrat vielleicht erfahren haben: Dass sehr viele Menschen auf der Suche nach einem sicheren Asyl, sobald sie hier sind, schnellstmöglich anstreben, einen Job zu kriegen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie zu verdienen. Die größte Hürde dabei sind Deutschkenntnisse, weswegen auch viele so schnell wie möglich die schöne Sprache Goethes und Schillers lernen wollen, um sich gepflegt und kultiviert auszudrücken. Denn asylsuchende Geflüchtete sind in vielen Fällen eben nicht die dummen Befehlsempfänger, wie der thüringische Landrat sie offenbar gerne darstellen mag. Von wem hat er den netten Trick vom geringwertigen Menschen denn eigentlich gelernt?




Mit nachdenklichen Grüßen


Helmut Seuffert