So einfach ist Meinungsforschung!

Fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland würden sich laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa einen Kanzlerwechsel von Scholz zu Pistorius wünschen. So weit, so gut. Aber wer hat bei der Umfrage eigentlich gefragt? Wen? Weshalb? Und was genau? Das alles bleibt im Dunkel. Wir wissen nur: es war die Insa-Counsulere GmbH. Und die hat vermutlich damit Geld verdient, weil das genau ihr Geschäftszweck ist. Warum aber befragt man wahlberechtigte Bürger*innen in unserem Land, wenn von vornherein klar ist, dass die den nächsten Kanzler gar nicht wählen können. Deutschland ist kein Ponyhof, wo sich jede und jeder seinen Kanzler oder ihre Kanzlerin basteln kann. Die die befragten Menschen haben diese Wahl gar nicht. Das ist etwa so, als würde man sie fragen, ob sie vielleicht lieber erschossen oder erdrosselt werden möchten, sollten sie in Deutschland morgen von der Hamas gekidnapped werden.

Dumme Fragen bescheren in der Regel meistens dumme Antworten. Aber vielleicht ist es den Meinungsforschern der Insa völlig wurscht, was die Befragten antworten, solange diese eine geschickt vorgegebene Antwort wählen. Denn nun hat die Insa eine wunderbare Meinungsstudie, die sie an die Medien verkaufen kann, die dann ihrerseits in fetten Schlagzeilen aus genau fünf Worten die Sensation in unter das nachrichtengierige Volk streut: „Mehrheit will Pistorius statt Scholz“. Ob die Mehrheit vielleicht Lindner, Habeck, Söder oder Baerbock als Kanzler*in lieber hätte? Die standen als Antwort gar nicht zu Auswahl.

Deutschland ist kein Ponyhof, wo sich jede und jeder seinen Kanzler oder ihre Kanzlerin basteln kann.



In der Parteizentrale der SPD gehen prompt die Alarmglocken an. Wenige Stunden später hat das Insa-Meinungsmachwerk bereits ordentlich Umsatz gemacht und das Handelsblatt berichtet, dass SPD-Politiker Alarm schlagen. Wegen der schlechten Umfragewerte der Insa bröckelt bei den Sozialdemokraten die bedingungslose Unterstützung für Scholz und die ganze Sache nimmt an Fahrt auf. Wohin ist Insa vermutlich egal. Sie hat ihre Mission erfolgreich erfüllt.

Kurz vor Silvester hatte der Spiegel mit besorgtem Blick und erhobendem Zeigefinger gewarnt: „Mehrheit der Bevölkerung sieht Deutschland 2023 im Abwärtstrend“. Die möglichen Gründe dafür legt der Spiegel gratis dem Artikel bei: ständiger Streit in der Ampel, Inflation, hohe Bauzinsen, Pisa-Ergebnisse, Ängste wegen Ukraine und Nahost. Hier hat das Meinungsforschungsinstitut Civey den Auftrag ergattert und liefert das Ergebnis: Vorsicht, Sonderlob: Civey und Spiegel arbeiten insofern redlicher als Insa, als sie die gestellte Frage im Wortlaut mitliefern. Die lautet: „Steht Deutschland Ihrer Meinung nach am Ende des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahr eher besser oder eher schlechter da?“. Ergebnis: 77 Prozent schlechter, 11 Prozent unentschieden, 12 Prozent besser. Aber was nützt uns dieses gesammelte Wissen?

Den Zusammenhang zu den oben genannten Gründen waren kein Bestandteil der Frage. Wenn also von den 77% Unzufriedenen fast alle unzufrieden sind, weil die aktuelle Bundesregierung im Kampf gegen den Klimawandel einfach nicht in die Puschen kommt, geht das völlig unter, weil der Spiegel ja a priori sicher weiß, dass die Deutsch*innen wegen der Ampel und der Inflation unzufrieden sind. Kurz: Der Spiegel biegt die %-Zahlen von Civey einfach ein bisschen in die gewünschte Richtung.

Ist das jetzt Meinungsforschung? Oder ist das Meinungsmache? Stimmen wir mal kurz ab. Bitte Hand hoch, wer meint, das ist seriöse Meinungsforschung. Moment bitte. Oh, tatsächlich. Ich sehe keine einzige erhobene Hand. Das Ergebnis lautet also: 100 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Spiegel-Meinungsumfragen gar keine Umfragen, sondern Meinungsmache sind. Sehen Sie. So einfach ist Meinungsforschung.

Vielen Dank für Ihre Beteiligung und wie immer
mit nachdenklichen Grüßen



Helmut Seuffert